SOUL

Der Weg

Bevor ich beginne – ein passender Abschnitt eines begonnenen Blogeintrags, den ich nie fertiggestellt habe vom 7. August letzten Jahres:

„Als ich letztes Jahr aus dem Urlaub kam schrieb ich einen recht erfrischenden Post über die Synchronizität – einem Phänomen, das sich zu dieser Zeit noch mal verstärkte in meinem Leben. Es klang sehr erfolgreich (für linkslaterale, zumeist westliche Ohren) und ich kam ebenfalls sehr erholt aus meiner Heimat zurück.

Wie jedes Mal vor meinem Urlaub war ich schon kurz vor dem Zenith des akzeptablen Arbeitspensums und wusste: Ich muss hier weg! Allerdings ahnte das System im Voraus was kommen sollte, denn schon beim Packen war ich überlastet und ständig kam mir ein störender Gedanke „14 Tage, viel zu kurz!“, die andere Stimme in meinem Hirn sagte schroff „Besser als gar nichts. Hör auf zu jammern!“. Wie Ihr wisst, weiß ich ja wie gut so ein Selftalk funktioniert: Unterdrückte Gefühle bauschen sich auf und f***en dich im absolut falschen Augenblick. Und so war es auch: Im Urlaub wurde ich mit Gejammer und passiv-aggressivem Verhalten meiner Mitmenschen belohnt.“

Und nun, lasst mich beginnen: Ich kehrte am 31. Juli zurück aus besagtem Urlaub und es wurde langsam aber sicher herbstlich. Um genau zu sein direkt nach meiner Rückkehr. Die Temperatur sank von ofenähnlichen 45 Grad auf fröstelige 25 und ich, war kein bisschen erholt. Die Erholung musste auf sich warten lassen. Der Urlaub war der blanke Horror gewesen. Er war zu kurz, ein Familienmitglied verstarb, meine Haut sah nach der ersten Woche schlimmer aus, als zuvor: voller Unreinheiten und Augenringen so tiefschwarz wie die Nacht. Ich erlitt zwei Panikattacken und hatte keine Kapazitäten mehr für mein Umfeld, geschweige denn für die Beschwerden, die auf mich einprasselten. Weder körperlich, noch geistig.

Wie vor jedem Urlaub hinterlasse ich alles clean: Ich schließe alle Projekte soweit ab und kümmere mich um die letzten Orga- und Buchhaltungsbelangen, ich putze die Wohnung, räume den Kühlschrank aus, beziehe das Bett neu, leere den Wäschekorb.
Ich kam zurück in eine saubere Wohnung und auch meine Arbeit floss harmonisch weiter, nur ich war ein Wrack. Statt dem Gefühl von „Genug ausgeruht, ran an den Speck“ fühlte ich eher ein „Bloß keine weitere Überforderung, ich kollabiere gleich!“. Ich musste weiterhustlen: Es warteten noch sechs Seminarwochenenden auf mich und die vorerst letzten Renovierungsarbeiten in der Wohnung bis zu meinem wahrlich wohlverdienten Urlaub zum Jahreswechsel. Ich wollte das langfristig ändern. Ja, es stand fest: Ich bin stark leistungsorientiert, was gelegentlich ausartet und mir ehrlich gesagt auch Spaß macht, aber wollte ich immer so leben? Nein. Ich gab mir 5 Jahre. Gute Aussichten, dass ich diese Seite an mir bis dahin vollständig ausgelebt hätte und meine Verwandlung komplett wäre. Nais.

Und dann geschah das, was ich so nicht geahnt hätte.

Die Wand

Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, was schief gelaufen war und warum ich, anders als sonst, scheinbar zu einem Zeitpunkt in den Urlaub gestartet bin, bei dem es mir mit jedem Tag nur noch schlimmer statt besser ging, mir nichts half und ich somit als Resultat noch zerstörter zurückkehrte.

Drei Dinge waren mir allerdings klar:

Das ist das letzte Mal gewesen, dass ich weniger als 3 Wochen in meiner Heimat verbracht habe, denn der Aufenthalt in Griechenland gibt mir etwas, das für meine Inspiration, Kreativität und Regeneration essenziell ist
Ich will alles daran setzen von überall aus arbeiten zu können
Ich musste aufhören so gutmütig für Menschen zu sein, die meine Grenzen nicht respektierten

Aber wer waren diese Menschen?

Im September kam ich zu spät zur Hochzeit einer Freundin. Ich hatte die Nacht vorher bis halb vier gearbeitet. Ich konnte erst um halb 10 tatsächlich aufstehen. Es war nicht anders möglich. War es das nicht? Auf was genau wartete ich, als ich mir um 02:00 Uhr nachts die Erlaubnis gab die Festlichkeiten verlassen zu dürfen? Ich war nicht mehr 20 Jahre alt – forderte ich zuviel von meinem Körper?

Ich war berüchtigt dafür schlaflos tagelang durchzuarbeiten, wochenlang 12h zu arbeiten, mich nicht mehr zu erinnern, wann mein letzter freier Tag gewesen war. Ich konnte mich schnell wieder regenerieren. Ich hatte alles im Griff. Immer mit einem süffisanten Lächeln, einer Kippe und der Scheiß-Drauf-Einstellung. Normalerweise.

Mich beschlich die Vermutung, dass ich so nicht weitermachen konnte. Die Panikattacken wiederholten sich. Mein Brustkorb fühlte sich so eng an, mein Herz raste, ich bekam kaum Luft, mein Magen verschloss sich. Ich konnte kaum atmen. Mir war speiübel. Ich sprach mit meinem Arzt, ich durchforstete das Internet, suchte nach Antworten. Die erste Panikattacke im Urlaub wirkte nach wie der blanke Horror: Das Gefühl keine Kontrolle über den eigenen Körper zu haben, das Gefühl zu platzen, das Gefühl zu sterben. Wie geht sterben? Würde ich sterben? Wenn ja, warum nicht sofort? Warum weitermachen? Welchen Sinn machte das alles?

Plötzlich sah die Welt stellenweise wie bereits gestorben aus, sodass ich nicht mehr wusste, wo es denn noch Energie gab auf der Welt, wo es noch Ressourcen gab, damit sich zumindest Etwas beginnen würde zu drehen. Ja, wenn es nicht funktioniert, einfach einen Dreher machen, den richtigen Hebel finden. Wie Archimedes gesagt hat

Δῶς μοι πᾶ στῶ καὶ τὰν γᾶν κινάσω

Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde – fehlte nur noch der richtige Hebel. Das war mein Motto. Nun lachte ich nur hämisch. Was redete ich für einen Schrott? Am Ende würde ich sowieso sterben. Welchen Unterschied machte es, wenn ich jetzt einen perfekten Dreher hinlegen würde oder gleich drauf scheiße?

Keine Zeit für Korrekturen. Im Urlaub würde ich die Lösung finden. Ich musste nur durchhalten, auch wenn ich nicht mehr genau wusste warum. Durchhalten. Ich hatte keine Zeit. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Ich hatte nur Zeit für die Arbeit. Weiß Gott ich hatte keine Zeit für neue Menschen. Und dann kam ein neuer Mensch in mein Leben. Einfach so. Alles zerbrach innerhalb von kürzester Zeit. Von einem Moment auf den anderen sah ich mich mit voller Wucht mit Allem konfrontiert: Alle Themen kamen hoch, alle auf einmal. Und sobald ich eins angeschaut hatte, kam gleich das nächste Thema. Es hörte einfach nicht mehr auf, wie wenn jemand den Stöpsel gezogen hätte. Meine Haut wurde unrein, meine Augenringe wieder tiefer, meine Panikattacken häuften sich. Auf einmal wirkte mein heißgeliebter Hustle einfach nicht mehr attraktiv. Ich wirkte nicht mehr attraktiv. Ich fühlte mich wie ein Versager. Es gab gefühlt nichts worauf ich mich ausruhen konnte, auf das ich mich berufen konnte, etwas das mein Ego streicheln könnte. Ich war verliebt, aber zeitgleich ertrug ich mein Spiegelbild nicht mehr. Mein Anblick kotzte mich an, ich schämte mich, ich ertrug mich keine Sekunde im Spiegel. Beim Zähne putzen schaute ich nicht auf. Tag für Tag sah ich fertig aus. Egal wieviel ich schlief. Egal was ich tat. Auf einmal kam mir meine Haut alt, fahl und tot vor, mein Gesicht war blass, ich strahlte nicht mehr, ich machte mir Sorgen: War die beste Zeit meines Lebens rum? Habe ich es übertrieben? Was hatte ich falsch gemacht? Würde es jetzt körperlich nur noch bergab mit mir gehen? Ich suchte fieberhaft in meinen Fotos, wann ich das letzte Mal gestrahlt und das Leben umarmt habe. Wo war ich? Ich, die das Leben liebte?
Es fühlte sich an wie eine Wand. Ich blickte in die verliebten Augen eines Mannes und fragte mich jedes Mal, in was blickt er? Wo war ich? Hatte ich mein Strahlen nur den falschen Männern geschenkt, von denen ich mich hab ausnutzen lassen? Warum? Warum konnte ich mich nicht regenerieren? Was war geschehen? Ich feierte mich nicht mehr. Ich war ja gar nicht mehr da. Ich suchte mich.

Ich sah mich gezwungen mein Verhalten jetzt zu überdenken und mich neu auszurichten. Etwas sträubte sich in mir. Ich wollte mir nicht mehr hinterherrennen oder gar mich suchen müssen. Was war in der letzten Zeit passiert?

Da ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte, beschloss ich erst mal einen Klassiker auszuprobieren:

☛ Phase 1: Verhalte dich genau gegensätzlich

Statt also den Spiegel zu umgehen, schaute ich rigoros in den Spiegel. Nothing changes if nothing changes. Und wenn einem die Ideen ausgehen, ist die Körperebene eine hervorragende Basis. Die Verschaltungen im Gehirn werden durch veränderte körperliche Aktion regelrecht gezwungen sich verändern.

Das Ganze fühlte sich an wie eine Desensibilisierungsmaßnahme. Der Angst geradewegs ins Gesicht schauen. Schlimm nur, es war mein Eigenes und es war beileibe nicht das, was ich anschauen wollte. Dennoch. Ich stand angewurzelt da und betrachtete mich, minutenlang. Ohne Wertung. Schon mal gemacht, wenn du deinen Anblick nicht ertragen konntest? Ich hörte mich sagen „Du schaust da jetzt hin!“ und „Wenn ich doch nur alleine wäre, es wäre so viel einfacher mich der Sache zu stellen, ohne, dass ich begehrenswert sein möchte für jemand anderes…“

Vielleicht sollte ich nicht mehr begehrenswert sein wollen – ehh. Ok, ich gab es auf.
Vielleicht sollte ich mich nicht mehr schön finden wollen – ehh. Ok, ich gab es auf.
Ich fand mich ugly. Und was jetzt?

Man sagt,

Wanting positive experience is a negative experience; accepting negative experience is a positive experience. It’s what the philosopher Alan Watts used to refer to as “the backwards law” – the idea that the more you pursue feeling better all the time, the less satisfied you become, as pursuing something only reinforces the fact that you lack it in the first place. The more you desperately want to be rich, the more poor and unworthy you feel, regardless of how much money you actually make. The more you desperately want to be sexy and desired, the uglier you come to see yourself, regardless of your actual physical appearance. The more you desperately want to be happy and loved, the lonelier and more afraid you become, regardless of those who surround you. The more you want to be spiritually enlightened, the more self-centered and shallow you become in trying to get there.

☛ Phase 2: Ich muss den Wunsch aufgeben, um ihn zu erreichen

Es war Zeit für eine Wende. Und da mir partout nicht klar wurde, was mich aus diesem Zustand befreien würde, gab ich auch das auf. Fest stand: Ich würde zum Jahreswechsel in den Urlaub fahren. Und beschloss irrwitziger weise mich vorher schon auszuruhen. Ich nannte es:

☛ Phase 3: Ein Time-Off vor dem Time-Off

Ein Teil in mir fand es absurd, mir soviel Auszeit zu gönnen. Etwas in mir wollte ausbrechen. Es wurde immer enger. Während der ersten Panikattacke hatte ich das Gefühl zu platzen: Das Leben war mir zu viel – plötzlich war der Druck unerträglich und lag tonnenschwer auf meinem Brustkorb. Wie soll ich in einem Leben all das machen, was ich machen muss? Wie sollte alles zeitlich in ein einziges Leben passen? Wann sollte man das alles perfektionieren? Und wenn man es nicht machen würde, welchen Wert hätte das Leben, wenn man es nicht vollständig ausnutzt? Wieso fühlt es sich nicht mehr gut an so viel zu wollen? Wieso fühlt es sich sinnlos an?
Wir fuhren in den Urlaub. Ein Ortswechsel ist gewöhnlich eine perfekte Gelegenheit für einen Mindshift. Im Urlaub wurde ich prompt krank. Ich stand vor der Wahl, welches Feld ich wählen sollte. Wollte ich jammern oder vertrauen? Kaum ging es mir besser, bekam ich meine Tage. Zugegeben, ich hätte mir auch etwas Besseres vorstellen können. Zwischenzeitlich hatte ich auch eine Prellung erlitten. Nicht ernsthaft bösgemeinte Witze auf meine Kosten triggerten mein Misstrauen. Ich bat um Nachsicht. Mehrmals. Das gab noch mehr Nährboden für Witze auf meine Kosten.
Dann fiel mir eine Situation aus dem Horrorurlaub ein: Als ich mit beginnender Attacke nachts müde zum Apartment lief, nachdem sich meine Freunde gestritten hatten, stammelte es in meinem Hirn „Mir geht es körperlich so schlecht und KEINER nimmt Rücksicht auf mich. Oh, ich weiß doch, ich muss auf mich selbst Rücksicht nehmen. Aber sie sind meine Freunde! Wie sinnlos ist meine Existenz, wenn nicht mal mein Leid jemandem nahe geht?“
Selbst während sich diese Worte in meinem Kopf formten, war mir klar, dass es Schwachsinn war, von den anderen zu erwarten, dass sie auf mich Rücksicht nahmen. Sondern, dass einzig und allein ich die Verantwortung trug auf mich Rücksicht zu nehmen. Im Umkehrschluss bedeutete es, dass ich schlicht und ergreifend nicht die nötige Rücksicht auf mich nahm!
Eines Abends zog ich die Handbremse: Ich gestand mir selbst ein, dass ich die ganze Zeit versucht hatte über diese Witze zu stehen, es nicht konnte und es mir selbst gegenüber nicht zugeben wollte. Ich versuchte den Schmerz des Misstrauens zu unterdrücken. Was darin endete, dass ich nicht in meiner Wahrheit war. Die Witze waren nie das Problem. Der Mensch gegenüber ist nie das Problem. Ich bin es immer selbst. Ich sah mir selbst ins Gesicht, wehte die kleine weiße Fahne und gab mich geschlagen. Herrlich.

Am nächsten Morgen sah in den Spiegel: Ich sah mich.
Meine Augen strahlten, meine Haut hatte ihre gewohnte Farbe, die Augenringe schienen fast verschwunden. Ich lächelte mich an! Ha, da bin ich ja!
Aber das war noch nicht genug.

Ein paar Wochen später wachte ich eines morgens auf und mein Nacken war versteinert. Mir war schwindelig und speiübel, jede Bewegung eine Überforderung. Ich konnte nichts ansehen, ohne dass mir schlecht wurde. Woher kam das auf einmal?
Ich hatte meinen Nacken seit über einem Jahr als geheilt angesehen. Ich gab auf und verbrachte fast den gesamten Tag im Bett im Dunkeln. Mittags stand ich kurz auf, ging ins Bad, streckte mich vor dem Spiegel, es knackte in meinem Nacken, ich sah auf meine Schultern und vermisste das Leistungsschwimmen. Als ich mit Leistungsschwimmen 2007 begann wurden Schultern und Kreuz breiter, meine Arme kraftvoller. Beim Föhnen nach dem Schwimmen blickte ich immer stolz auf Arme und Schultern. Ich wurde selbstbewusster – ich nahm mehr Raum ein.

Am Abend lag ich auf der Couch und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich erinnerte mich an die Worte meiner Cranio-Sakral-Therapeutin vor meinem Horror-Urlaub. Wie ein lange verschollenes, wiedergefundenes Post-It fand ich zufällig die Notizen in einem Instagram Post.

„Frau Lamprousi, Sie müssen in die Weite und mehr Raum einnehmen. Sie schwingen vertikal, aber horizontal ist die Energie gehemmt, obwohl sie quantitativ da und stark ist.“

Now let that sink in. Die cranio-sakrale Flüssigkeit schwingt, wenn im Gleichgewicht, horizontal, wie vertikal harmonisch gleich stark.
Basically hatte sie mir gesagt, was ich tun sollte und ich hatte ab da genau das Gegenteil gemacht, obwohl ich in dem IG Post geschrieben hatte:
„Also bitte sehr, hier habt ihr mein Gesicht. Der Rest vom Körper kommt auch.“

Und was kam von meiner Horizontalen?
Nichts! Ich hatte mich in ein Korsett gepresst, um den Urlaub vollzustopfen, es allen Recht zu machen, meine Seminare innerhalb kürzester Zeit durchzupeitschen und meine Wohnung fertig zu bekommen. Ich hatte mich unter Druck gesetzt. Ich war regelrecht gefangen in einem Korsett, dass mir die Luft zuschnürte und meinen Brustkorb zum bersten brachte. Ich breitete mich auf der Couch aus, Beine und Arme so weit es ging vom Körper weg. Ich lag da wie ein Seestern. Ich tastete mich vor und probierte auf der körperlichen Ebene Raum einzunehmen. Wie ein Seestern. Die Vorstellung versetzte mich in einen lahmen Zustand des zynischen Dauergrinsens. Ich muss Raum einnehmen. Laaangsam machte es Sinn.
Aber nur langsam.
Wir wollen nicht übertreiben.
Ich wusste da fehlte noch ein wenig.

Die Wende

Aber was fehlte denn? Wie nimmt man Raum ein?
Ein Konzept, das mir bisher scheinbar unbekannt war. Diese Erkenntnis befeuerte nur meinen Zynismus. Mein Körper schickte mir unentwegt deutliche Signale. Immer öfter fühlte sich mein Brustkorb tonnenschwer an, meine Luft wurde dünner, mein Rücken schmerzte, mein Nacken versteifte sich, ich wachte mit Übelkeit auf, ich erbrach. Ich hatte die Wahl: Ignoriere ich die Zeichen und mache weiter? Oder versuche ich zu verstehen was hier passiert? Mein Körper fühlte sich an wie ein Korsett: Meine Körpermitte, der stabilisierende Part unterstützte mich nicht mehr, er schnürte mir alles zu. No support. Wer nicht hören will, muss fühlen. Ich fühlte. Nichts Schönes.
Ich wollte mich unter die Lupe nehmen und prüfen, in welchen Lebensbereichen ich nicht genügend Raum einnahm. Lange Rede, gar kein Sinn. Ich hatte Einbußen in allen Bereichen. Ich unterdrückte mich mehr oder minder in allen Lebensbereichen:
Ich redete mich klein als Künstlerin, ich vernachlässigte unbewusst die Kunst, weil ich ja sowieso nicht gut genug war. Als Designerin wollte ich zwar an meinem Stil arbeiten und mehr eigene Arbeiten erschaffen, fand aber ganz zufällig keine Zeit dafür. Wenn ich gefragt wurde, warum man auf meiner Webseite kaum etwas von meiner Arbeit als Designerin sehen konnte, sagte ich „Ich hatte noch keine Zeit“ – ja und ich schämte mich. Ich wurde für ein Design Projekt angefragt und freute mich, aber ich zeigte nichts von meiner Emotion – ich hatte Angst, dass ich es vermassele, weil ich sowieso nicht gut genug war. Ich wurde als Gastredner für eine Veranstaltung angefragt, schämte mich aber bei dem Gedanken, dass jemand meinen Blogartikel liest; kann ja sowieso nicht so gut schreiben. In meiner Beziehung sagte ich bei Entscheidungsfragen nicht was ich wollte – die Info schien lost – ich hatte zu sehr Angst, dass ich wieder als dominant und arrogant abgestempelt wurde. Wenn mich das Verhalten meines Gegenübers triggerte und ich in Panik geriet, schämte und entschuldigte ich mich, hatte Angst, dass ich nicht mehr attraktiv wäre und erntete lediglich Unverständnis (trigger di trigger di trigg!).
WAS WAR DENN LOS MIT MIR???

Bekannt als selbstbewusste Frau, geschäftlich sowie privat, in jeglicher Beziehung als führende Kraft geschätzt, mit großer Klappe. Wo war die große Klappe? Ich saß da und realisierte, dass ich jahrelang eines nicht bewusst wahrgenommen hatte: Ich lebte in einem Korsett. Nur, dass ich jetzt eindeutig rausgewachsen war.

Der Wandel

Eines morgens klopfte ein Trigger an die Tür und ließ eine leichte, ekelhafte Panik in mir hochsteigen. Ich versuchte mich in Griff zu bekommen – eher erfolglos. Das Einzige was ich schaffte war sie zu unterdrücken. Stunden später brach die Panik durch. War klar – Anfängerfehler. Ich, gefangen im Muster, mein Gegenüber mit Fragezeichen im Kopf, angenervt. Ein Klassiker. Und ein Öl-ins-Feuer-Kipper. Wusste ich das? Ja, aber es war zu spät – wenn man in Panik ist, setzt das logische Denken aus. Da braucht es jemanden, der das Feld hält, denn ich hatte das Feld schon lange verlassen (drifting in the universe of no logic!). Ich strauchelte und suchte den Weg zurück zu meinem Frontallappen, den scheinbar jemand ausgeknipst hatte. Ich schämte mich mal wieder und war kurz davor mich erneut zu entschuldigen. Plötzlich sagte mein Gegenüber einen Satz, der mich erstarren ließ. Der Satz klang in meinen panikerfassten Ohren wie „Es gibt immer Stress mit DIR! Dadrauf hab ich keinen Bock!“ Ich taumelte kurz, fasste mich und beendete abrupt das Gespräch.

Ich war genervt. Von mir. Ich war genervt davon, dass ich in den prekären Momenten kein bisschen von meiner jahrelangen harten Arbeit huldigte. Nein, ich schämte mich, dass es immer noch Trigger gab. Dass ich noch nicht „perfekt“ oder „normal“ geworden war. War ich denn komplett des Wahnsinns? Ich arbeitete seit 6 Jahren mit Klienten, die Traumata erlebt hatten, hielt das Feld und gab ihnen Werkzeuge. Ich erklärte ihnen, dass sie sich nicht schlecht fühlen sollten, sondern sich auf ihre Vision einer vom Trauma befreiten Version ihrer selbst konzentrieren sollten. Und da stand ich nun mit über 10 Jahren erfolgreicher, harter und disziplinierter Arbeit in der eigenen Persönlichkeitsentwicklung und machte mich klein und meinen Raum eng!? Ich sollte stolz auf mich sein!

Mir wurde eines klar: Es gibt wohl noch Dinge, die mich triggern und das ist absolut OK. Ich bin die, die ich bin. Ich kann nur besser werden, wenn ich anerkenne, wo ich stehe, damit ich weiß wohin ich will. Und wenn das bedeuten würde, dass ich für jemanden nicht gut genug wäre, dann ist das vollkommen OK. Die Hauptsache ist immer, dass ich gut genug für MICH bin. Und es war höchste Zeit für genau diesen Knackpunkt.

In meinem Kopf hörte ich mich selbst sagen: „Ich liebe dich, aber mich liebe ich noch viel mehr!“
Auf einmal sah ich meine Kunstwerke, ich sah meine Wohnung, ich sah meine Freunde, ich sah meine Fotografie, ich sah meine Grafik, ich sah meine Sprachkenntnisse, ich sah mein Feingefühl für Mode, Architektur, Inneneinrichtung und Musik, ich sah meine Familie, ich sah meine Heimat – auf einmal sah ich wie bunt und voll mein Leben war, weil ich es Kraft meiner Vision erschaffen hatte.

Ich fühlte mich umarmt. Ein paar Stunden später las ich in Brian Tracy’s Buch „Maximum Achievement“ folgende Zeilen:

„Your feelings and behavior are reversible. (…) Behave positively and enthousiastically and you will soon feel positive and enthousiastic. (…) …even if you cannot control your feelings at any given moment, you can control your actions.”

Es war nichts, was ich nicht schon wusste, aber gottlob der Synchronizität, kamen diese Zeilen genau zum richtigen Zeitpunkt. Kraft schoss durch mein ganzes System. Danke Universum für diesen Reminder:

Ich befasse mich nicht mehr mit dem alten Korsett. Ich konzentriere mich vollkommen auf die neue Version meiner Selbst. Ciao Vergangenheit. Danke für all die Schwierigkeiten, denn ich konnte ihnen die Stirn bieten und darauf kann ich stolz sein. Ciao Stolz. Danke, dass du mich hast meinen Wert erkennen lassen, aber dich brauche ich auch nicht mehr. Du gehörst zur Vergangenheit.

Auf zu neuen Ufern! Auf zu neuen Visionen! Auf in die Zukunft!

Nachwort:

Dieser Blogpost wurde im Januar begonnen und zog sich ca. einen Monat lang. Der Titel bezieht sich auf die Teilerkenntnis vor meinem Urlaub, kurz vor der ersten Schreibblockade, als ich noch im Dunkeln tappte, ich jedoch versuchte mir ein besserer Freund zu sein, mit einem “Time-Off before Time-Off”. Da ich im Namen der besseren Freundschaft zu mir auf Perfektion scheiße, bleibt der Titel in seiner ursprünglichen Form. In der Regel schreibe ich einen Artikel in einem Abwasch. Dieser aber war Teil eines sehr tiefen Lernprozesses. Durch die wiederkehrenden Schreibblockaden und parallel dazu auftretenden körperlichen Symptome wurde ich gezwungen tiefer in mich reinzuschauen. Körper und Geist gehen Hand in Hand. Ich vertraue dem Fluss der Dinge, auch wenn es, wie oben erwähnt, bedeutet morgens aufzustehen und zu erbrechen. Dieses Beispiel mag sich negativ anhören, aber nichts passiert random, alles ist mit allem verbunden, permanent. Ungleichgewichte manifestieren sich körperlich erst gegen Ende hin. Wenn also auf der Körperebene etwas geschieht, war das Gleichgewicht schon viel früher gestört. Es lohnt sich hinzuhören. Es lohnt sich, sich selbst der beste Freund zu sein.

Dass ich scheinbar jahrelang mir nicht immer ein bester Freund gewesen bin, obwohl ich immer mehr dazugelernt habe, ist heute kein Jammer. Es hat wohl all die Jahre trotzdem gut funktioniert und war vollkommen in Ordnung so. Der Knackpunkt ist, den Punkt, an dem es nicht mehr wie früher funktioniert zu erkennen und etwas zu ändern.

Um Brian Tracy ein letztes Mal zu zitieren:

„I believe in the perfect outcome of every situation in my life.”

Alles ist genauso wie es sein sollte.

NAMASKAR!

Deine KINESIOLOGIN
Effron-Genie🧚‍♀️⚡️

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TIME OFF BEFORE TIME OFF