Zugegeben, Pisse ist definitiv nichts von dem ich behaupten würde, dass es in irgendeiner Form nützlich wäre, außer beim Wasserlassen (Erleichterung).

Du denkst dir jetzt was labert die Alte?

Da hast du auch Recht, aber einer meiner Leitsätze ist ja, dass in allem „Negativem“ auch Etwas zu gewinnen ist. Das bedeutet, dass Etwas was du erst mal als schlecht wahrnimmst im Grunde ein Geschenk und/oder eine Möglichkeit ist.

Ok, und um was geht es hier? Es geht um den wohl bekannten Akt des ans Bein Pissens. Ich glaube jeder von uns hat das schon mal erlebt – zu Recht oder Unrecht. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass das was du als gerecht empfindest, deinem Wertesystem zuzuschreiben ist. Welches auf unter anderem persönlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren beruht, von Mensch zu Mensch sehr stark variieren kann und einen Konsens manchmal extrem schwierig bis hin zu unmöglich machen kann.

Nehmen wir mal eine Real-Life Situation: Du kommst auf Arbeit und bist 7 Minuten zu spät. Wenn wir ehrlich sind, ist das auch nicht das erste Mal. Und ja, dein Leben ist momentan zugegebenermaßen sehr stressig: Du gehst jeden Werktag in die Schule und arbeitest parallel noch jeden Abend in einem Restaurant. Du versuchst, alles unter einen Hut zu bekommen, Miete, Auto, Schule, Arbeit, Hausaufgaben, Haushalt. Du hast praktisch keine Zeit für deine Freunde. Du hast ja noch nicht einmal Zeit für dich selbst. Zeit – was ist das? So was hattest du schon seit Jahren nicht mehr (5). Du rennst permanent hinterher und kommst immer als 2. an. Egal wie schnell du rennst.

Es nervt dich, es ist anstrengend, es pisst dich an (wo wir wieder beim Pipi wären). Du hast auch keine andere Wahl. Zumindest siehst du es so. Also hast du’s mal wieder verschissen und kommst wieder zu spät. Aber nachdem dein Leben so ist wie es ist – ein zeitliches Chaos – nimmst du die 7 Minuten in Kauf und rechtfertigst sie unbewusst mit deiner derzeitigen Lebensstruktur. Für dich OK.

Du machst also die Ladentür auf. Dein Kollege ist bereits da, er hat schon aufgebaut und sagt dir „Hast du auch mal vor pünktlich zu sein junge Dame?“ Du versuchst cool zu bleiben und rechtfertigst dich natürlich (mit deinem Chaos-Leben). „Deine Schicht beginnt streng genommen eine Viertelstunde vorher.“ Bekommst du gesagt. Deine Rechtfertigung interessiert also keinen. Du sagst „Ja, sorry, ich komm pünktlich nächstes Mal“ – nicht gerade überzeugend, denn es geht dir schlicht und ergreifend am Arsch vorbei, da dein ganzes Leben aus dem Ruder läuft. Warum musst du jetzt auch noch angekackt werden. Daraufhin bekommst du nur ein „Das hast du das letzte Mal auch schon gesagt“ entgegen geschleudert. Und es ist wahr. Jedes Mal hast du „Sorry“ gesagt und nichts geändert. Er wirft dir einen missbilligenden Blick zu. Die Schicht beginnt und nimmt ihren gewohnten Lauf. Und es nagt an dir.

„Hast du auch mal vor pünktlich zu sein junge Dame?“ hallt es nach. Hast du es? Nervt es dich, dass dir jemand ans Bein pissen konnte?

JA, ES NERVTE MICH!

Gerne wäre ich perfekter gewesen, so dass mir keiner ans Bein hätte pissen können, aber es war passiert. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder ich könnte versuchen es zu ignorieren und wie gewohnt zu spät zu kommen (was immer sehr gut funktioniert, wenn uns etwas auf den Sack geht) oder ich würde mir eingestehen, dass es tatsächlich a) unkollegial war zu spät zu kommen und meinen Kollegen den gesamten Aufbau machen zu lassen b) es nicht korrekt ist, sich ab 17:30 bezahlen zu lassen, wenn man permanent 5-10 Minuten zu spät kam. In meiner persönlichen Welt waren die 7 Minuten bis dahin in Ordnung gewesen, aber soeben kollidierte meine Weltauffassung mit der Welt da draußen.

Was nun?

Wie wäre es, wenn es mir egal wäre, welche Auffassung die richtige wäre und es mir nur darum gehen würde, das Urinieren an mein mentales Bein abzuwenden (keep it clean!)? Wäre es nicht eine Win-Win Situation?

Ich wäre meinem Arbeitgeber und Kollegen gegenüber fair und hätte aus mir eine bessere Version erschaffen. Und wer will das nicht? Besser werden macht einen selbst glücklich. Und keiner pisst dir ans Bein. Du machst es nicht für die anderen, du machst es primär für deine persönliche Entwicklung.

Ich nenne diesen Vorgang, das „Drehen“ einer (scheinbar) negativen Ausgangssituation in eine positive durch meine Gedankenkraft.

Versuch negative Situationen zu deinen Gunsten zu nutzen. Es ist möglich – denk nur eben mal um die Ecke.

PS: Ich habe mein Zeit-Management damals unter die Lupe genommen und so lange geschraubt, bis ich nicht mehr zu spät kam. Das war das letzte Mal, dass mir jemand diesen Satz sagen konnte „Hast du auch mal vor pünktlich zu sein junge Dame?“

Ja, habe ich. Ich kann besser werden und ich machs!